Alte Mainbrücke in Würzburg

Diakonie FH Helsinki, Finnland

Blogeintrag 1 - Helsinki, zeig was du kannst!

15.09.2016 | Diakonie FH Helsinki, Blog

„Kannst du mich zum Bahnhof bringen?“, schrieb ich meiner Schwester zwei Wochen vor Beginn meines Abenteuers ‚Auslandsstudium’, nachdem ich darüber nachgedacht hatte, wie ich das mit dem ‚Tschüss- sagen’ Hand haben könnte.
„Und die Eltern? Die wollen dich sicher selbst bringen! Der Abschied wird dadurch auch nicht leichter...“, schrieb sie mir zurück.  
Ich kann Abschiede so gar nicht leiden, sie haben so etwas kurzzeitig endgültiges, und die Vorstellung am Bahnhof im Zug zu winken und erst mal „Leb Wohl“ zu sagen, gefiel mir nicht so gut. Auch wenn es nur ein Abschied für 5 Monate war, und ich mich riesig freute, war es ein Abschied für 5 Monate. Wird mich meine kleine Nichte dann überhaupt noch erkennen, wenn ich wiederkomme?
Als der Zug gefahren war, und meine Familie mir zum Abschied winkte, war zum Glück das schlimmste vorbei, wobei die Platzsuche in dem absolut überfüllten Zug Richtung Hamburger Flughafen, mit einem gefühlt 30 Kilo schweren Koffer, einem Backpack-Rucksack und einem Schlafsack im Arm, nicht minder schlimm war. Wie es das Schicksal so wollte, fand ich einen Platz neben einem Mädchen mit dem ich auch sofort ins Gespräch kam. „Wo soll deine Reise denn hingehen?“ – Nach Helsinki!
Sie erzählte mir von ihren Reisen nach Australien, ihrem Jahr als Au Pair in Amerika und ihren zahlreichen Städtetouren über den ganzen Kontinent. „Schon wieder so eine, die schon die ganze Welt gesehen hat“, dachte ich mir. Warum ist das heutzutage so ein Hype?
Ist es die Sehnsucht nach Freiheit, Individualität oder einfach nur, um in der modernen „open-mind, live your life - it’s too short“- Generation mithalten zu können oder sich irgendwie zu beweisen? Ist es die Freikarte zu einem halben Jahr „party-hard“, alles ohne Druck und Verpflichtungen, was viele ja mit einem Auslandsstudium assoziieren?
Sollten das die Gründe sein, ein Auslandsstudium oder dergleichen zu absolvieren, würde ich dringend meine Lebensphilosophie überdenken, denn sollte man sich nur im Ausland verwirklichen können, dann wäre das doch sehr traurig und zumeist nicht von sehr langer Dauer.
Aber was ist es dann, was ein Auslandsstudium oder einen Auslandsaufenthalt generell so attraktiv macht?
Es ist eine Chance; eine Möglichkeit sich weiterzuentwickeln; seine Sprachkenntnisse zu verbessern, seinen Horizont zu erweitern und sich von seinem Tunnelblick zu lösen. Und nicht zuletzt sich selbst herauszufordern. Da wird mir sicher jeder zustimmen.
Meine Erwartungen waren hoch, und somit entschied ich mich im dritten Semester ins Ausland zu gehen, es fühlte sich richtig an. Die Stadt meiner Wahl fiel auf Helsinki, schließlich sollen die Finnen ja für Ihre Soziale Arbeit recht angesehen sein und die Vorlesungen fanden auf Englisch statt.
Ganz Finnland hat gerade mal 5 Mio. Einwohner, ich vergleiche es gerne mit der Einwohnerzahl Berlins, was mich immer etwas schmunzeln lässt, in Anbetracht des Flächenvergleichs... das ist ja schon fast wie David und Goliath.
Helsinki ist die größte und lebenswerteste Stadt Finnlands. Die Hauptstadt und seine Umgebung zieht gerade Familien und Arbeiter in seinen Bann, denn im Sommer hat es viel zu bieten und im Winter ist es dann doch nicht ganz so frostig wie in Lappland im tiefsten Norden (-30 Grad!!!)

Heute ist der 15. September und ich bin bereits seit über einem Monat in der wunderbaren finnischen Hauptstadt und fühle mich pudelwohl. Bisher hatten wir wunderbares Wetter, was jedoch für diese Jahreszeit auch nicht selbstverständlich ist. Ich habe es unter Glück verbucht und die sonnige Zeit sehr genossen. Was der strenge Winter so zu bieten hat, kann ich zwar noch nicht sagen, aber der Charme der nordischen Landschaften mit seinen traumhaften unbeschreiblichen Nationalparks, wird auch einen kalten Winter wettmachen. Zudem wird der richtige Winter erst im Januar kommen, wo ich leider schon wieder zu Hause sein werde. Wie schade eigentlich, denn ist es nicht genau das, was die nordischen Länder ausmacht, was man eigentlich unbedingt mitnehmen sollte?
Wir werden sehen, was es im November und Dezember zu erzählen gibt!

Ende Juli begann meine Reise. Ich hatte lange geplant und organisiert, und wollte so viele Erfahrungen mitnehmen wie möglich. So beschloss ich, wenn ich schon mal „da oben“ bin, es auch auszunutzen, und flog von Hamburg zuerst nach Stockholm. 10 Tage verbrachte ich im schönen Schweden und konnte einen ersten Eindruck gewinnen, wie die nordischen Menschen so sind. Wobei man die Schweden und die Finnen nicht vergleichen kann. Es gibt wie überall solche und solche, aber die Finnen sagen sogar generell über sich selbst, dass sie vielleicht etwas schroff und kühl wirken, aber sobald die ersten Worte gewechselt sind, tauen sie auf und würden für Dich vielleicht nicht durchs Feuer gehen, aber zumindest einen Umweg in Kauf nehmen, um Dir den Bahnhof oder die nächste Bushaltestelle zu zeigen. Die modernen Wikinger halt.

Die Schwedenreise war wunderschön! Ich bereue es nicht, auch wenn ich dadurch weniger Zeit hatte mich mental auf das Ganze vorzubereiten und nur noch wenige Tage nach der Prüfungsphase blieben, um Zeit mit Familie und Freunden zu verbringen.
Am 8. August ging es schließlich zur Endstation Helsinki. Am Abend bin ich am Flughafen Helsinki- Vantaa gelandet und wurde herzlich von meiner Tutorin Sutida empfangen. Dass die finnische Zeit 1 Stunde hinter der deutschen Zeit lag, das war mir irgendwie entgangen. 10 Uhr in Deutschland ist 11 Uhr in Finnland!
Ich hatte mich im Vorfeld für ein Studentenzimmer von HOAS (der Träger für die Studentenwohnheime) beworben und eine Zusage bekommen. Das war ein absoluter Glücksfall, denn auf eigene Faust ein Zimmer zu finden, ist in Helsinki sehr schwer und very expensive, ich habe Studenten getroffen, die das doppelte meines Mietpreises für ihr Zimmer zahlen mussten..
Die ersten Tage verbrachte ich damit Helsinki kennenzulernen - die White Church, die von einem deutschen Architekten entworfen wurde, ist wohl eines der bekanntesten Sightseeing- Monuments von Helsinki. Und natürlich probierte ich auch die kleinen finnischen Silberfischchen am Market-Square am Hafen, die allerdings nicht mit  einer kalorienreduzierten Ernährung zu vereinen sind! Dieses fettige Geschmackserlebnis samt Kopf hat sich definitv gelohnt!

Die Uni startete offiziell am 10. August. Jedoch hatten wir bis Ende August lediglich reading week, was bedeutete, dass wir vorgegebene Literatur lesen sollten und darüber an Hand einer vorgegebenen Fragestellung einen Essay schreiben mussten.
Was? Gleich zu Beginn schon ein assignment? Na prima, das ging ja schon gut los, dachte ich mir.
Am 22. August startete dann endlich das contact teaching, quasi die ganz normalen Vorlesungen und endlich lernte ich auch die anderen Erasmus-Studenten kennen.
Ich war überrascht, wie schnell es ging, dass man „zusammenwuchs“.
Der erste Tag des contact teachings fing gleich schon aufregend an. Die finnischen Studenten sprechen Ihre Dozenten mit Vornamen an. In der ersten Stunde hatte ich also die Ehre, von Lauri unterrichtet zu werden. Ich erwartete eine Frau.. naja, wer kann denn auch ahnen, dass das ein männlicher finnischer Vorname ist!! Die Studenten kannten sich natürlich schon, und begrüßten sich alle mit Umarmung oder Handschlag und darauf folgte eine kurze Vorstellungsrunde, damit auch wir insgesamt zehn Erasmus Studenten aus Deutschland, Österreich, Belgien, Holland und Italien die anderen Studenten kennenlernen konnten und sie natürlich uns.
Ich habe mich gleich wohl gefühlt. Spätestens da wusste ich, dass es eine interessante Zeit, mit interessanten Menschen werden wird...


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