Internationale Studentin und internationaler Student arbeiten an einem Laptop

Universität Krakau, Polen

Blogeintrag 3 - Mit dem Nachtbus quer durch Polen

06.04.2016 | Universität Krakau

Das Osterwochenende stand vor der Tür und eins war klar: Wenn ich schon von Donnerstag bis Dienstag frei habe, dann muss ich die Zeit für eine kleine Reise nutzen. Das Reisen ist in Polen zum Glück sehr günstig, es gibt ein gut ausgebautes Netz an Fernbuslinien und mit dem günstigsten Anbieter Polskibus erreicht man jede größere Stadt in Polen.  
Nach zehn Stunden im Nachtbus kam ich also etwas zerknittert und müde am frühen Mor-gen in Danzig an. Die Hafenstadt im Norden von Polen ist wie Krakau ein echter Touristen-magnet. Ansonsten unterscheiden sich die beiden Städte aber sehr stark, auf den ersten Blick fällt auf dass die Architektur hier komplett anders ist.
Bunte Häuserfassaden wechseln sich ab mit imposanten Kirchen aus Backsteinen. Leider ist die ganze Stadt sehr stark am Tourismus orientiert, der seine Hauptsaison aber erst in den Sommermonaten hat. Das merkt man, zahlreiche Museen haben verkürzte Öffnungszeiten oder noch gar nicht geöffnet, Läden sind geschlossen und auch die Fähren und Ausflugsschif-fe fahren noch nicht. Die ganze Stadt wirkt ein wenig ausgestorben und wenn mal die hüb-sche aber überschaubare Altstadt verlässt, gibt es außer Industrie und zahl-reichen Groß-baustellen leider nicht so viel zu sehen.                                                                                                       
Danzig war seit seiner Gründung ein wichtiges Handelszentrum und zeitweise sogar ein un-abhängiger Stadtstaat. Auf der Halbinsel Westerplatte brach am ersten September 1939 der zweite Weltkrieg aus. Und ca. 40 Jahre später traten die Arbeiter auf der Lenin-Werft am Danziger Hafen in Streik, was den Beginn der Solidarność-Bewegung markiert. Für jeden der sich für Geschichte interessiert gibt es also eine Menge zu sehen. Das Solidarność-Museum im europäischen Zentrum für Solidarität dokumentiert die Geschichte der Gewerkschaft und man sollte sich ein paar Stunden Zeit nehmen für die informative und aufwendig gestaltete Ausstellung. Die Westerplatte ist per Bus erreichbar, ein Mahnmal und zahlreiche Info-Tafeln informieren über die Geschehnisse von 1939. Ein Museum über den zweiten Weltkrieg wird derzeit gebaut, aus der modernen und interessanten Architektur sowie der Größe der Aus-stellungsfläche lässt sich schließen, dass dieses Museum ebenfalls einen Besuch wert sein wird.
Will man sich nicht nur mit den teilweise recht deprimierenden geschichtlichen Fakten be-schäftigen, kann man natürlich auch einfach an den Strand fahren. Mit dem Regionalzug ist man in 20 Minuten in Sobot, einem beschaulichen schnuckeligen Badeort an der Ostsee. Außerhalb der Saison ist das aber auch hier nicht besonders viel los.  
Wenn auch sehr interessant, hat mich der Besuch in Danzig alles in allem ein wenig enttäuscht, irgendwie hatte ich mir mehr von der Stadt erwartet. Wobei sicherlich auch das miese Wetter ein wenig die Stim-mung gedämpft hat, bei sechs Grad, Wolken und Nieselregen ist vermutlich keine Stadt be-sonders schön.
Nach drei Tagen ging es dann zurück in den Süden, genauer gesagt nach Breslau. Um Zeit und Geld zu sparen natürlich wieder mit dem Nachtbus. Die aktuelle europäische Kultur-hauptstadt begrüßt uns mit blauem Himmel und Sonnenschein. Vom Kirchturm der Elisa-beth-Kirche aus hat man eine fantastische Aussicht über Breslau. Die Stadt liegt auf insge-samt zwölf Inseln die durch über 100 Brücken und Stege miteinander verbunden sind, was ihr den Spitznamen "Polens Venedig" eingebracht hat.

Ein beliebtes Fotomotiv in Breslau sind die Zwerge. Die seit einigen Jahren überall in der Stadt anzutreffenden Figuren sind ein Projekt der Kunsthochschule und erinnern an die Wi-derstandsbewegung gegen das kommunistische Regime. Besonders gut hat mir außerdem auch das Spazieren über die Inseln und an der schön gestalteten Uferpromenade der Oder gefallen, sowie das Universitätsviertel. Vom örtlichen Studentenleben haben wir allerdings nur wenig mitbekommen, denn die meisten Restaurants, Cafés und Bars sind über Ostern geschlossen. Religion hat in Polen einen weitaus höheren Stellenwert als zum Beispiel in Deutschland und daher werden hier die Osterfeiertage sehr ernst genommen und groß ge-feiert.
An den Tagen vor "Wielkanoc" (polnisch für Ostern) sieht man häufig Leute auf der Straße, die einige Buchsbäumchen-Zweige bei sich tragen. Diese werden gemäß der polnischen Os-tertradition mit Brot, Eiern, Wurst und Gebäck in einen Korb gelegt, mitgenommen in die Kirche und dort gesegnet. Zuhause gibt es danach dann ein großes Frühstück mit der ganzen Familie.
Am Ostermontag sollte man sich darauf gefasst machen, eventuell eine kalte Dusche zu be-kommen, denn das ist der Tag von "Śmigus Dyngus". Diese Tradition, bei der ursprünglich Jungen die Mädchen mit einigen Spritzern Wasser nass spritzten, artet heute meist in regel-rechte Wasserschlachten aus.
Eine weitere slawische Tradition ist das Verabschieden des Winters. Unter der Anleitung des Erasmus-Teams der Uni haben wir unsere eigenen "Marzannas" gebastelt. Diese Puppen aus Stöcken, Stoff und buntem Papier repräsentieren den Winter und werden nach traditionel-lem Brauch verbrannt oder in einen Fluss geworfen. So wird symbolisch das Ende des Win-ters gefeiert und der Frühling begrüßt.
Eigentlich war das Anzünden nicht erlaubt, aber wir wollten uns den Spaß nicht nehmen las-sen. Zum Glück kam gerade keine Polizeistreife vorbei, es wäre mit Sicherheit teuer gewor-den. Die Polizei ist sehr präsent in Krakau und beim Überqueren der Straße an einer Stelle ohne Zebrastreifen oder an einer roten Ampel sollte man sich lieber nicht erwischen lassen. Genauso wie das Alkohol Trinken in der Öffentlichkeit ist das nämlich streng verboten und kostet eine Strafe von 100 PLN oder mehr. Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, dass die Polizisten leider nicht mit sich handeln lassen, schon gar nicht bei Ausländern die nicht rich-tig Polnisch sprechen. Auch WG-Partys werden sehr häufig von der Polizei beendet. Die Prä-senz und Überwachung durch die Polizei ist definitiv stärker ausgeprägt als in Deutschland und gibt einem manchmal auch das Gefühl, hier nicht so frei leben zu können wie zuhause.

Abgesehen von dieser kleineren Auseinandersetzung mit der Polizei komme ich gut zu Recht in Polen, auch meine Sprachkenntnisse verbessern sich so langsam. Über die Universität kann man einen Sprachkurs machen. Der ist zwar leider nicht ganz billig aber dafür auch wirklich gut und intensiv. Es ist schön, wenn man nicht nur "Hallo" und "Danke" sagen kann und die Leute in Polen freuen sich wirklich, wenn sie mitbekommen dass man sich bemüht ihre Sprache zu lernen. Ganz einfach ist das natürlich nicht, auf den ersten Blick sehen viele polnische Wörter wie ein Konsonanten-Unfall aus und auch die Aussprache ist gewöhnungs-bedürftig. Aber wenn man jeden Tag ein bisschen übt macht man spürbare Fortschritte.

Ansonsten genieße ich die vielen Vorteile und Rabatte, die man in Polen als Student hat. Es gibt sehr häufig Vergünstigungen, zum Beispiel bezahlt man in sämtlichen Zügen und öffent-lichen Verkehrsmitteln nur den halben Fahrtpreis. Vor zwei Wochen gab es eine Sonder-Aktion in Krakau mit der man in vielen Museen sogar komplett freien Eintritt hatte und auch auf einem Fußballspiel der Ekstraklasa (die polnische Bundesliga) war ich - für umge-rechnet 1,25 €. Viele Erasmus-Studenten die für ein ganzes Jahr hier sind können sich schon gar nicht mehr vorstellen, wie sie sich zuhause wieder an die Preise gewöhnen sollen und auch mir fällt das mittlerweile schwer, wenn ich mal wieder ein leckeres und großes Mittag-essen für nur 12 bis 18 Złoty verputzt habe...


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