Blogeintrag 7 - Die versteckten Ecken von Krakau
Auch wenn man nicht unbedingt daran denken möchte, da es bedeutet dass auch das Erasmus-Semester langsam zu Ende geht: Die Prüfungen rücken immer näher. Oder in meinem Fall eigentlich eher Abgabe-Termine für schriftliche Arbeiten und Präsentationen, da ich lediglich eine schriftliche und eine mündliche Prüfung habe. Für die meisten Kurse muss ich dieses Semester Hausarbeiten schreiben. Das ist ungewohnt, aber die Themen könnten kaum spannender sein für mich. Zum Beispiel muss ich eine Präsentation über das Werk eines zeitgenössischen polnischen Künstlers mit Fokus auf Medienkunst ausarbeiten und für einen anderen Kurs sieben iranische Filme anschauen, analysieren und in einen kulturellen Gesamtkontext setzen.
Um mich mehr auf die Uni zu konzentrieren und auch um etwas Geld zu sparen für eine Reise durch das Baltikum im Anschluss an das Erasmus-Semester, habe ich beschlossen jetzt vorerst mal nicht weg zu fahren, sondern in Krakau zu bleiben. Das heißt natürlich nicht, dass es mir hier langweilig werden würde, auch nachdem man schon Monate lang hier ist, bietet Krakau immer noch neue spannende Orte, die sich lohnen entdeckt zu werden.
Also habe ich die Woche mit einem Spaziergang in den Stadtteil Podgórze und dem dort gelegenen Kopiec Krakusa, einem der vier künstlich angelegten Hügel von Krakau, begonnen. Von der Spitze aus hat man eine gute Aussicht über die Stadt und über das nächste Ziel meines Spaziergangs, ein riesiger Steinbruch in dem die Nazis das Arbeits- und Konzentrationslager Płaszów errichtet haben. Heute ist nur noch ein kleiner Teil der Anlage erhalten und über dem ganzen Gelände liegt eine gespenstische Atmosphäre. Besucher sieht man hier keine wenn man zwischen wuchernden Sträuchern, den ausgebrannten Lagerfeuerstellen von Krakauer Jugendlichen und alten Grabsteinen mit hebräischen Inschriften hindurchläuft. Der Kontrast zum von Touristen überfüllten Auschwitz könnte nicht größer sein.
Einen weiteren geschichtsträchtigen Ort habe ich im Rahmen einer Walking Tour zum Thema Kommunismus in Krakau erkundet. Der rund zehn Kilometer weit außerhalb gelegene Stadtteil Nowa Huta wurde nach dem zweiten Weltkrieg als sozialistische Planstadt errichtet und war Standort von einigen Stahlwerken. Unser Tourguide beleuchtete nicht nur die geschichtlichen Hintergründe über Nowa Huta, sondern erzählte auch viel über das heutige Verhältnis zwischen den Einwohnern der Krakauer Innenstadt und der Bevölkerung von Nowa Huta, die ihren Stadtteil nach wie vor als unabhängige, eigene Gemeinde betrachten. Vom authentischen Alltagsleben der polnischen Bevölkerung sieht man hier auf jeden Fall mehr als in der von Touristen überfüllten und für die meisten Polen sehr teuren Altstadt.
Ebenfalls ein bisschen außerhalb aber immer noch innerhalb der Stadtgrenze liegt die Benediktiner Abtei Tyniec, die ich letztes Wochenende mit meinem Kurs „Film and Religion“ besucht habe. Nach einer kurzen Führung durch das beschauliche Kloster - das aber immerhin rund 40 Mönche zählt - verbrachten wir einen Großteil der Zeit mit Essen und Entspannen. Dabei hatten wir aber auch die Gelegenheit ausführlich mit unserem Dozenten zu quatschen, der sich nicht nur bestens mit Filmen auskennt sondern auch ein Theaterkenner ist und einige Geschichten aus der aktuellen polnischen Theaterszene erzählen konnte. Alles in allem also ein sehr angenehmer Uni-Ausflug.
Die Kirche von Tyniec scheint übrigens auch sehr beliebt unter polnischen Paaren zu sein, gleich drei Hochzeitsgesellschaften an einem Tag konnten wir beobachten. Und das obwohl unser Dozent uns erklärte, dass der Mai in Polen ein unbeliebter Monat zum Heiraten sei, weil dies für das Ehepaar nach Aberglaube Unglück bringen würde.
Worum ich die Studenten der Universiät hier auf jeden Fall beneide ist ihr hochmoderner Campus, der direkt neben einem der schönsten Plätze in ganz Krakau gelegen ist. Der Park Skały Towardowskiego mit einem riesigen See ist im Sommer der perfekte Ort zum Grillen, Entspannen, Picknicken und insofern man ich traut auch baden gehen.
Ganz ungefährlich ist das nicht, der See in einem ehemaligen Steinbruch ist umgeben von steilen Klippen. Offiziell ist der Zutritt zu dem Gelände daher auch nicht erlaubt, aber die zahlreichen gut ausgetretenen Trampelpfade und der Zaun, der mehr aus Löchern als aus Zaun besteht zeigen, dass das eigentlich niemanden interessiert.
Der strahlend blaue See ist auch einfach zu schön und außerdem kann man hier abseits von den Blicken der omnipräsenten Polizei auch ungestört ein paar Biere unter freiem Himmel trinken.
Ein weiteres Highlight in der letzten Woche war das Konzert der ESN-Band, bei dem ich ebenfalls ein bisschen mitgewirkt und zwei Lieder gesungen habe. Die Organisatoren vom ESN-Team der Uni haben sich wirklich ins Zeug gelegt, um ein schönes Event zu organisieren und das ganze fand auch nicht irgendwo in einem miefigen Keller sondern im größten Club der Stadt mit einer riesigen Bühne und echtem Profiequipment statt.
Auch wenn ich normalerweise nicht unbedingt ein Fan von den ganzen Erasmus-Parties und Veranstaltungen bin, das Konzert hat sehr viel Spaß gemacht und die Stimmung war wirklich fantastisch. Nach über drei Monaten hier kennt man natürlich auch viele der anderen internationalen Studenten und solche Event sind eineinziges großes „Hallo und wie geht‘s“. Da macht es einen schon ziemlich traurig zu wissen, dass in einem Monat bereits alles vorbei ist und man nicht weiß, ob und wann man all die neuen Freunde und Bekannten wieder sehen wird.
Kommentare (0)
Keine Kommentare gefunden!