Internationale Studentin und internationaler Student im Studiengang Robotik

Universität Krakau, Polen

Blogeintrag 8 - Zwischen Prüfungen und Abschiedspartys

26.06.2016 | Universität Krakau

Bevor ich mein Erasmus-Semester begonnen habe, habe ich gründlich den Termin-Kalender der Universität von Krakau studiert, wann beginnt die Prüfungszeit, wann ist das Semester zu Ende und so weiter. Hier musste ich dann nach und nach feststellen, dass sich die Professoren nicht so ganz an diesen Plan halten und viele Prüfungen schon Wochen bevor der eigentlichen Prüfungszeit stattfinden.
Das bringt jetzt nicht nur meinen Zeitplan durcheinander, sondern bedeutet auch dass einige Freunde und Bekannte, die bereits mit ihren Prüfungen fertig sind, schon bald abreisen. Auch wenn man sich erst seit kurzem kennt, fällt der Abschied schwer. Man hat zwar nur eine kurze, aber dafür umso intensivere Zeit zusammen gehabt und einfach eine Menge erlebt. Besonders schwierig wird das Ganze, wenn die anderen zwar schon fertig sind mit ihren Aufgaben für die Uni, man selbst aber noch Essays schreiben und für Prüfungen lernen muss. Das führt dann dazu dass man entweder zuhause am Schreibtisch sitzt und sich ärgert, dass man seine Freunde an ihrem letzten Abend in Krakau nicht sehen kann, oder dass man zwar mit den anderen am See liegt, aber dafür das schlechte Gewissen an einem nagt, weil man ja eigentlich lernen sollte.
Vor einigen Tagen hat auch die letzte große Erasmus-Veranstaltung stattgefunden. Um ein letztes Mal gebührend mit Leuten aus der ganzen Welt zu feiern, hat sich die Organisatorinnen vom ESN-Team der Uni ordentlich ins Zeug gelegt und eine chice Farewell-Gala auf einer Dachterasse organisiert, inklusive eines Konzerts der grandiosen Erasmus-Band, einem kleinen Buffet und einer fantastischen Aussicht auf die Weichsel und die Burg Wawel.  Sämtliche Studenten haben sich für das Event in Schale geworfen, es war eine gute Gelegenheit, Freunde und Bekannte noch einmal wieder zu sehen und die Aussicht auf den Sonnenaufgang war unbezahlbar. Da die Sonne in Krakau ein ganzes Stück früher auf- und untergeht als zuhause in Deutschland kann es schnell mal passieren, dass es plötzlich schon wieder langsam hell wird, wenn man gerade erst in Bett geht.

Was hilft bei akuter Unlust beim Lernen? Natürlich schon mal Pläne für die Zeit danach machen. Nach Ende des Semesters werde ich eine kleine Reise durch das Baltikum machen und mir die Städte Vilnius, Riga und Tallinn anschauen. Davor habe ich noch einige freie Tage in Krakau und es gibt eine Menge Sachen die man hier im Sommer unternehmen kann. Neben Fahrradausflügen entlang der Weichsel lohnt es sich immer wieder, zum See „Zakrzówek“ zu gehen, definitiv nicht nur mein, sondern auch der Lieblingsplatz von vielen anderen Krakauern im Sommer, wenn auch wie bereits erwähnt nicht hundert Prozent erlaubt.

Ob das Grillen auf dem heimischen Balkon erlaubt ist, bezweifeln meine Mitbewohner und ich stark. Eine definitives Ja oder Nein konnten wir von unseren polnischen Freunden bisher nicht erhalten. Aber da die Polizei hier ja gerne mal plötzlich vor der Tür steht (mitunter auch mal weil man beim Abendessen mit ein paar Freunden zu laut gelacht hat) probieren wir das lieber nicht aus. Viel schöner als auf unserem Balkon, der ohnehin zum Innenhof raus geht, ist es außerdem auf dem Campus der Akademia Górnizco-Hutnicza. Anders als bei der Jagiellonen-Universität, deren Gebäude wirklich über die gesamte Stadt verteilt sind, sind bei der wissenschaftlich-technischen Universität AGH alle Gebäude und Wohnheime zentral auf einem riesigen Campus. Inmitten dessen befindet sich eine große Wiese, die im Sommer nicht nur von den dort wohnenden, sondern von jungen Leuten aus ganz Krakau regelmäßig frequentiert wird, denn hier ist praktisch gesagt alles erlaubt - vom Grillen über Alkohol trinken unter freiem bis hin zu Musik hören oder machen bis mitten in die Nacht hinein. Kein Wunder, dass das ein beliebter Treffpunkt für die Krakauer Studenten ist, ganz egal an welcher Uni man eigentlich studiert.

Eine nicht enden-wollende weitere Ablenkung vom Lernen ist der Veranstaltungskalender der Stadt Krakau. Es ist einfach immer irgendeine spannende Sache, die man gerne besuchen würde, wie zum Beispiel zuletzt das Filmfestival, das Festival für Filmmusik, die arabischen Kulturtage oder die lange Nacht der Synagogen, die ich besucht habe. Einen Abend lang waren sämtliche Synagogen in Krakau für interessierte Besucher geöffnet, auch jene die normalerweise nur für religiöse Zwecke genutzt und nicht besichtigt werden können. Neben freiem Eintritt für das Museum in der ehemaligen Hauptsynagoge, gab auch in anderen Gebäuden kleine Ausstellungen, Workshops und sogar ein Hip-Hop-Konzert. Das ist schon Mal ein Vorgeschmack auf das jüdische Kulturfestival, das im Sommer für zehn Tage lang stattfinden wird und von dem ich zum Glück zumindest noch ein bisschen was mitbekommen werde.

Überall in der Stadt kann man beobachten, dass sich Krakau auch bereits für ein anderes großes Fest vorbereitet: der Weltjugendtag Ende Juli rückt immer näher und stellt eine immense Herausforderung für die Stadt dar.
Dabei geht es sowohl um Sicherheitsfragen - Wohnungen entlang der Straßen durch die der Papst fahren wird, wurden bereits von der Polizei untersucht - als auch um die Organisation des Ganzen. Erwartet werden rund zwei Millionen Pilger. Wo diejenigen alle schlafen sollen, ist unklar und es fällt mir schwer, mir vorzustellen, wie die Infrastruktur einer Stadt mit gerade Mal 800.000 Einwohner angesichts eines solchen Besuchervolumens nicht zusammen brechen soll. Unter den Einwohnern von Krakau ist klar, dass sie zu dieser Zeit nicht in der Stadt sein wollen und viele haben bereits Pläne gemacht, wo sie hinfahren um der kirchlichen Großveranstaltung zu entgehen. An der Mariacki-Kirche am Marktplatz hängt schon seit Monaten ein Countdown, der die Tage bis zum Weltjugendtag herunter zählt. Ein bisschen ist das auch wie der Countdown für die Erasmus-Studenten, denn bis dahin wird höchstwahrscheinlich niemand von uns mehr hier sein. Ein bisschen traurig macht es einen auf jeden Fall, wenn man an der Kirche vorbei geht und sieht wie klein die Zahl auf dem Countdown geworden ist, in meiner Anfangszeit hier stand sie noch bei über Hundert..


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