Internationale Studentin und internationaler Student arbeiten an einem Laptop

Universität Krakau, Polen

Blogeintrag 9 - Do Widzenia Kraków, kocham cie!

13.07.2016 | Universität Krakau

Es klingt unglaublich, aber die letzten Wochen waren noch voller gepackt als das übrige Semester ohnehin schon. Das lag nicht zuletzt auch an der Fußball-EM. Ein besonderes Highlight war auf jeden Fall das Spiel Deutschland gegen Polen. Ich hatte beschlossen, das Spiel mit meiner polnischen Tandem-Partnerin zu schauen anstatt mit den deutschen Erasmus-Studenten - eine Entscheidung die ich erst mal bereute als ich als einzige Deutsche in einer überfüllten Studentenkneipe zwischen polnischen Fußball Fans in voller Montur stand. Ich war dann ganz froh über das Null zu Null, im Falle eines Tors hätte ich mich hier nur ungern als deutscher Fußball-Fan geoutet. Die Polen feierten das Unentschieden übrigens fast so begeistert als ob sie haushoch gewonnen hätten.

Ansonsten ging am Ende des Semesters dann alles irgendwie ganz schnell. In einem Moment war man noch mit Klausuren und Essays beschäftigt und plötzlich realisiert man, dass man so langsam schon mit dem Packen beginnen muss. Dabei stellt man dann fest, dass sich auch innerhalb von nur ein paar Monaten eine ganze Menge Sachen ansammeln. Am besten ist es daher, vorab schon mal ein Paket nach Hause zu schicken, bevor am Ende am Flughafen die große Überraschung kommt und man für Übergepäck teuer bezahlen muss. Es gibt Kurierunternehmen die einen schnellen und günstigen Versand nach ganz Europa anbieten. Das Paket wird sogar zuhause abgeholt - oder eben auch nicht, wie im Falle von meinem Mitbewohner, dessen Paket zwei Tage vor seiner Abreise immer noch in unserem Flur stand. Da ich dieses Risiko nicht eingehen wollte, nahm ich also die etwas höheren Gebühren der polnischen Post in Kauf.
Das war nur eine von vielen organisatorischen Angelegenheiten, die ich kurz vor meiner Abreise noch regeln musste. Außerdem musste ich mein Fahrrad verkaufen, meine Reise durch das Baltikum planen und einen Platz finden, wo ich währenddessen mein Gepäck abstellen kann, wichtige Dokumente von der Uni abholen und natürlich ein paar Souvenirs für Freunde und Familie besorgen.

Und dann mache ich schon meine Abschiedstour durch die Stadt. Egal was ich machte, ich hatte immer im Hinterkopf, dass es jetzt zum letzten Mal ist. Noch einmal an der Weichsel sitzen, das letzte Frühstück im Lieblingscafé und natürlich jede Menge Abschiedstreffen mit Freunden, stets in der Hoffnung, dass es nicht das letzte Treffen sein wird. Ich bin eingeladen, jederzeit nach Italien, Spanien, Israel, Österreich, Tschechien, Irland, Frankreich und in die Türkei, sowie in diverse Städte in Deutschland zu kommen und am liebsten würde ich sämtlichen Einladungen sofort nachkommen. Erasmus hat das Reisefieber geweckt und neugierig gemacht, auf mehr spannende Erfahrungen und auf andere Länder und Kulturen. Ein riesiger Vorteil des Programms ist, dass man nicht nur die Kultur von dem Land kennen lernt, in dem man ein halbes oder ganzes Jahr lang lebt, sondern dass man auch mit so vielen Leuten aus alles Welt in Kontakt kommt und sich austauschen kann über Sprachen, Traditionen, Politik sowie kulturelle Gemeinsamkeiten und Unterschiede. Ich war schon vor dem Semester immer sehr begeistert davon, hier in Europa zu leben, wo wir eine solche unglaubliche Vielfalt an Kulturen und Sprachen haben, und bin es jetzt sicherlich noch mehr.
Außerdem finde ich, dass man während dem Erasmus-Semester auch viel über sich selbst und seine eigene Kultur reflektiert. Auf diese Weise registriert man Dinge von Zuhause die man immer als selbstverständlich betrachtet hat und lernt plötzlich, diese viel mehr zu schätzen.

Auch an der Universität von Krakau konnte ich sehr viele interessante Dinge lernen. Die meisten Kurse haben sehr viel Spaß gemacht und mir persönlich auch geholfen meinen Horizont zu erweitern und neues zu lernen über Themen, über die ich teilweise vorher nie nachgedacht habe. 

Zugegeben, ich war vor Beginn des Auslandssemesters ein wenig skeptisch. Erasmus naja, das heißt halt jede Menge Partys mit viel Alkohol und schlechter Musik und für etwas anderes werden sich die Leute wohl nicht wirklich interessieren, dachte ich mir. Natürlich wird auch eine Menge gefeiert, aber man trifft so viele Leute mit unterschiedlichen Interessen und Ansichten, dass sich Erasmus unmöglich auf den Party-Aspekt reduzieren lässt. Man führt jede Menge interessante und lustige Gespräche, manchmal tiefgründiger und manchmal über völligen Quatsch, aber auf keinen Fall sind ein Erasmus-Semester und die all die Leute die man trifft so eindimensional wie ich vorher befürchtet hatte.
Man erlebt eine sehr intensive Zeit zusammen und ich glaube dass das sowohl einen selbst prägt als auch die Freundschaften die man hier schließt. Die Zeit in Krakau wird uns allen für immer in Erinnerung bleiben und das schweißt einen auf jeden Fall sehr eng mit den anderen Erasmus-Studenten zusammen, auch wenn man sich erst seit kurzer Zeit kennt.

Viele unserer Gespräche drehten sich immer wieder um Politik, um Europa und wie es wohl weiter gehen wird in Zukunft, angesichts brisanter Themen wie der Flüchtlingskrise, Brexit und der überall erstarkenden nationalistischen Tendenzen. Wir sind alle in einem friedlichen Europa mit offenen Grenzen und Reisefreiheit aufgewachsen und ich glaube jeder der einmal Erasmus gemacht lernt die Möglichkeiten die wir heutzutage haben noch mehr zu schätzen. Europa ist meiner Ansicht nach der mit Abstand beste Ort zum Leben und wir sollten alles dafür tun, damit das so bleibt. Dafür ist es wichtig, sich mit Leuten aus anderen Ländern auszutauschen, aufeinander zu zugehen und Vorurteile abzubauen und ich denke Erasmus ist der beste Weg um dies zu tun.

In den letzten Monaten hatte ich die Gelegenheit, das Land Polen intensiv kennen zu lernen. Ich habe nicht nur Unmengen von Pierogi gegessen und zumindest rudimentär eine neue Sprache gelernt, sondern ich habe mich auch viel mit Leuten aus Polen austauschen können und konnte so viele Einblicke in das Leben hier gewinnen. Krakau fühlt sich jetzt an wie ein Zuhause und ich denke dass ich mich immer ein bisschen mit Polen und mit dieser Stadt verbunden fühlen werde. Es ist seltsam zu wissen, dass ich nach meiner Reise nicht mehr in meine Wohnung und zu meinen Mitbewohnern zurückkommen werde. Nach und nach löst sich die gesamte Erasmus-Clique auf und alle fahren zurück nach Hause zu ihren Familien und Freunden. Es ist eine eigenartige Vorstellung, aber wir machen ganz einfach Platz für eine neue Gruppe von Austauschstudenten, die im kommenden Oktober ihr Erasmus-Semester hier beginnen werden und für die Krakau wahrscheinlich ebenso ein neues Zuhause werden wird wie für uns.

Do widzenia Kraków, es war eine fantastische Zeit. Ich bin mir sicher, dass es kein Abschied für immer sein wird; ob für einen Urlaub, ein Praktikum oder vielleicht sogar ein Masterstudium - ich komme auf jeden Fall wieder!


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