Blogeintrag 5 - Ein Konsum-Tempel in Posen, Gastfreundschaft in Breslau und Street Art in Krakau
Letztes Wochenende habe ich die bisher mit Abstand schönste Erfahrung meines Erasmus-Semesters machen können und einen der nettesten und aufgeschlossensten Menschen überhaupt kennen gelernt. Aber alles ganz von vorne.
Los ging der ganze Wochenendtrip am Freitag um 5 Uhr. Noch ziemlich verschlafen bin ich morgens mit dem ersten Zug nach Posen gefahren. Die im Westen gelegene, fünftgrößte Stadt Polens ist auf jeden Fall einen Besuch wert und da von meinen Freunden niemand Zeit hatte, bin ich einfach spontan alleine los gefahren.
Nach fünf Stunden Zugfahrt und einem großen Kaffee startete ich meine Tour durch die Stadt. Wie viele Städte in Polen hat auch Posen einen großen Marktplatz, der rundherum umgeben ist von hübschen bunten Häusern, sodass man gar nicht weiß wo man mit dem Fotografieren anfangen und wieder aufhören soll. Am Abend hat eine Band am Marktplatz vom Fenster eines Hauses aus ein Konzert gegeben. Besonders beeindruckend war auch die prunkvoll dekorierte Kirche des Jesuitenkollegs.
Es hat auf jeden Fall einige Vorteile sich eine Stadt einfach mal alleine anzuschauen: man kann sich alles in seinem eigenen Tempo anschauen und sich auch mal Zeit nehmen um in Ruhe Fotos zu machen, ohne dass andere Leute warten müssen.
Außerdem kann man sich selbst aussuchen, was man sehen möchte und auch spontan die Pläne ändern, wenn man auf etwas Interessantes stößt. Später habe ich einen ausgiebigen Spaziergang durch den Zitadelle-Park gemacht und die Sonne genossen.
Mein persönliches "Highlight" besichtigte ich am nächsten Tag auf einen Tipp meines Dozenten hin. Die ehemalige Brauerei von Posen, "Stary Browar" ist heute ein gigantisches und chices Einkaufszentrum. Mein Dozent, bei dem ich den Kurs "Media Art in Poland" ist ein Experte für moderne Kunst und hat uns nicht nur in Krakau die sehenswertesten Museen empfohlen, sondern angeboten, dass man wenn man einen Ausflug in eine andere Stadt macht ihn jederzeit nach Tipps fragen kann. Zum Glück, denn ohne seinen Hinweis hätte ich die Shoppingmall auf jeden Fall gemieden, ohne zu wissen dass es im Erdgeschoss eine interessante Galerie mit mehreren Ausstellungen zu sehen gibt. Aber auch so war der Besuch im Stary Browar interessant und angesichts der unglaublichen Größe des Shoppingcenters drängt sich einem unweigerlich die Frage auf, wie viel H&M-T-Shirts, Dekorationsartikel, Smartphones und Costa Coffee ein einzelner Mensch eigentlich konsumieren soll. Große Einkaufszentren sind sehr beliebt in Polen und jede größere Stadt verfügt über mindestens drei davon, jeweils mit Filialen der gleichen Ketten ausgestattet.
Nach dem Besuch in der Shoppingmall ging es mit dem Zug weiter nach Breslau. Der Plan war, dort ein paar Freunde aus Krakau zu treffen und gemeinsam auf ein Konzert zu gehen. Unglücklicherweise war mit der Hostelreservierung etwas ziemlich danebengegangen, sodass wir leider kein Zimmer hatten. Meine Freunde entschieden sich für ein wesentlich teureres Hotelzimmer. Da ich das nicht bezahlen wollte, schrieb ich einer Bekannten aus Breslau ob sie jemanden kennt, bei dem ich übernachten könnte. Ich dachte nicht wirklich, dass das funktionieren und sich so spontan jemand finden würde, aber eine halbe Stunde später schickte mir meine Bekannte die Handynummer von Martyna, die mich zwar nicht kannte aber sich über spontanen Besuch aus Deutschland freute.
Ich habe noch nie jemanden getroffen, der so gastfreundlich war wie Martyna und dank ihr war es definitiv mein schönster Besuch in Breslau. Ich konnte nicht nur in ihrer Wohnung übernachten, sie hat mich vom Bahnhof abgeholt und zum Konzert gebracht, am Morgen hat sie fantastische Pfannkuchen zum Frühstück gemacht und wir hatten den gesamten Sonntag über eine Menge Spaß zusammen beim Spazierten durch Breslau. Martyna freute sich zudem über die Gelegenheit, ihr Deutsch wieder etwas aufzufrischen. Seit dem Abitur hat sie zwar kein Deutsch mehr gesprochen, aber wir konnten und trotzdem den ganzen Tag problemlos unterhalten, ich hatte die Gelegenheit ein bisschen mehr Polnisch zu lernen und konnte meiner Gastgeberin so wenigstens einen kleinen Gefallen tun als Dankeschön für all die Gastfreundschaft und den schönen Tag. Ich hoffe dass sie in den nächsten Wochen Zeit hat, um mich in Krakau besuchen zu kommen.
Außerdem bin ich jetzt umso gespannter auf meine erste Erfahrung als Couchsurfer. am kommenden Wochenende fahre ich nach Warschau und werde zwei Nächte couchsurfen. Ich hoffe dass es ebenso nett wird wie in Breslau.
In Krakau steht derweil ein bisschen Arbeit für die Uni an. Im Polnisch Kurs und im Fach "Film and Religion" haben wir vergangene Woche Zwischentests geschrieben, beide habe ich zum Glück problemlos bestanden. Für mein Fach "Reading Anthropology Between The Lines" musste ich zudem zum zweiten Mal ein kurzes Essay schreiben.
Das Fach ist interessant, da wir über verschiedene gesellschaftliche Phänomene und kulturelle Unterschiede sprechen, aber leider ist das Ganze auch ein wenig trivial. Allgemein sind viele der englischen Kurse, die hauptsächlich von Erasmus-Studenten besucht werden, recht einfach und können ohne besonders viel Arbeitsaufwand absolviert werden.
Die polnischen Kurse sollen jedoch weitaus schwieriger und arbeitsintensiver sein, schließlich kann die Universität von Krakau nicht umsonst zu den besten Hochschulen des Landes gehören.
Aber so bleibt zum Glück genügend Zeit, um die schönen Seiten des Eramus-Lebens zu genießen. Wenn man mit so vielen Leuten aus unterschiedlichen Ländern Zeit verbringt,
bietet es sich natürlich an, gemeinsam zu Kochen und so typisches Essen aus anderen Ländern zu probieren. Bei einem Abendessen mit Freunden diese Woche gab es eine wilde Mischung aus Lasagne, Curry, Bigos (polnischer Sauerkraut-Eintopf), Couscous und Pfannenkuchen zu essen.
Außerdem konnte ich bei einer Walking Tour zum Thema Street Art mal ganz andere Seiten von Krakau kennen lernen als die prachtvollen historischen Gebäude der Altstadt. die Tour führte durch das jüdische Viertel Kazimierz sowie nach Podgórze, dem Stadtteil in dem ehemals das Krakauer Ghetto errichtet wurde. Heute ist vor allem Kazimierz ein lebendiger, alternativer Stadtteil mit unzähligen kleinen Geschäften, Bars und Cafés. Dass hier einst eine sehr große jüdische Gemeinde gelebt hat, ist heute noch überall erkennbar - nicht nur an den Synagogen.
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