Internationale Studentin und internationaler Student arbeiten an einem Laptop

Universität Ljubljana, Slowenien

Blogeintrag 6 - Krönender Abschluss

Die letzte Prüfung im Auslandssemester ist geschrieben, die Anspannung der Prüfungszeit fällt von einer Sekunde auf die andere ab und ich freue mich nur noch auf das letzte große Highlight. Schnell ein paar Sachen packen, meinen fast 20 Jahre alten VW- Bus nochmals durchchecken, zwei weitere Erasmus- Studenten am anderen Ende der Stadt einsammeln, volltanken und los geht‘s. Erstes Ziel: Belgrad. Nachdem wir Kroatien durchquert haben, erreichten wir nach vier Stunden Fahrt die Grenze zu Serbien. Unzählige LKWs, die sich wartend auf ihre Abfertigung kilometerweit auf der Standspur zurückstauten, signalisierten uns, dass wir an einer Außengrenze der EU angekommen sind. Auch wir mussten uns etwas gedulden und uns einer Sichtprüfung des Fahrzeuginnenraums unterziehen, ehe wir die verbleibenden 130 Autobahnkilometer, die mit zahlreichen Schlaglöchern gespickt waren, antreten durften. Bei Einbruch der Dunkelheit erreichten wir dann gespannt die serbische Hauptstadt und stürzten uns direkt in den Einbahnstraßendschungel. Nach einer kleinen Stadtrundfahrt und mehreren Wendemanövern fanden wir endlich eine freie Parklücke in der Nähe  unseres zentral gelegenen Hostels. Mit ein paar Tipps dreier aufmerksamer und hilfsbereiter Serben erreichten wir dann nach wenigen Minuten zu Fuß auch unsere Unterkunft. Der Empfang war sehr freundlich und herzlich und ehe wir unser Zimmer beziehen konnten, erhielten vom Rezeptionisten direkt ein halbstündiges Briefing bezüglich Sehenswürdigkeiten und Geheimtipps. Erschöpft von der Anreise ließen wir den Tag schließlich am Ufer der Sava ausklingen. Der zweite Tag begann direkt mit einer „Free-Walking-Tour“. Ein ehemaliger Geographiestudent mit Entertainer-Qualitäten führte uns auf unterhaltsame Art und Weise drei Stunden durch das sonnige Belgrad, machte uns mit der Geschichte sowie Architektur der Stadt vertraut, zeigte uns die schönsten Winkel der Millionenstadt und verabreichte uns bereits am Vormittag einen Schuss des Nationalgetränkes Rakija. Danach gönnten wir uns eine kleine Stärkung und machten uns dann erschöpft und mit übervollem Magen auf den Weg zurück zu unserem Hostel: Kurz ausruhen! Nach einer kleinen Erholungsphase brachen wir wieder auf, um die restlichen Sehenswürdigkeiten der Stadt auf eigene Faust zu erkunden. Auf dem Rückweg folgten wir einem Insider-Tipp meines Kumpels und sprachen einen Passanten an, der gerade die Tür zu einem Wohnhaus aufschloss. Wir fragten ihn, ob er uns auf das Dach des Hochhauses mitnehmen würde. Ohne zu zögern lud er uns ein. Per klapprigen Fahrstuhl mit gewöhnungsbedürftigen Türverschlussmechanismus ging es in den letzten Stock. Dann noch ein paar Treppenstufen ins Freie und wir erhielten einen atemberaubenden und einzigartigen Blick auf die von kommunistischen Betonbauten geprägte Balkan-Metropole. Insgesamt spulten wir laut des Schrittzählers meines Smartphones bis zum Abend 25383 Schritte ab, was umgerechnet einer Strecke von ungefähr 18 Kilometern entspricht, und der Tag war noch lange nicht zu Ende. Denn am Wochenende erwacht die Stadt in der Nacht erst richtig zum Leben. Nach Einbruch der Dunkelheit zogen wir erneut los und feierten gemeinsam mit den Einwohnern der Stadt, zu teils traditioneller serbischer Musik, bis tief in die Nacht.

Nach dem Frühstück am nächsten Morgen mussten wir der weißen Stadt leider schon wieder den Rücken zukehren und brachen in das 300 Kilometer entfernte Sarajevo auf. Die Strecke dorthin führte größtenteils über Landstraßen und einsame ländliche Gebiete. Die landesspezifischen Sicherheitshinweise des Auswärtigen Amtes „bei Reisen nach Bosnien und Herzegowina wird wegen fortbestehender Minengefahr empfohlen, die befestigten Straßen nicht zu verlassen“ flößten uns zunächst etwas Respekt ein. Wie sich aber später in Gesprächen mit Studenten aus Sarajevo herausstellte, ist diese Einschätzung sehr verallgemeinert und nur für speziell gekennzeichnete Gebiete zutreffend. Ansonsten war entlang der gesamten Strecke unschwer zu erkennen, dass wir uns in einem vom Islam geprägten Land bewegten. Dies wurde zum einen durch die zahlreichen Minarette und zum anderen an geschächteten Ziegen oder Schafen deutlich, die teilweise vor den Häusern hingen. Neben einer kleinen Wartezeit an der Grenze wurde unsere sechsstündige Fahrt lediglich noch von zwei Polizeibeamten unterbrochen, die sich in meinen Augen auf die Jagd nach Touristen spezialisiert hatten. Nachdem wir zunächst 20 Minuten festgehalten wurden, konnten wir schließlich unsere Fahrt durch die Zahlung einer Strafe in Höhe von 40€  glücklicherweise fortsetzen. Gegen Abend erreichten wir dann endlich Sarajevo. Diesmal erfolgte die Anfahrt zum Hostel schon deutlich zielsicherer als in Belgrad. Was vielleicht auch daran liegen könnte, dass die Hauptstadt von Bosnien-Herzegowina um ein sechsfaches kleiner ist. Hungrig zogen wir nach dem Beziehen unseres Zimmers nochmals in die Innenstadt, die nur wenige Gehminuten von unserem Hostel entfernt lag.

Eigentlich wollten wir nur schnell etwas essen und dann sofort wieder zurück. Doch mich begeisterte die Stadt mit ihren engen, belebten Gassen bei Nacht. Ich fühlte mich sofort wohl, sodass wir uns unbewusst zu einem kleinen Nachtspaziergang durch die familiäre Innenstadt entschieden und die Nahrungsaufnahme auf den Rückweg hinauszögerten. Als wir am nächsten Tag erneut an einer „Free-Walking-Tour“ teilnahmen revidierte ich meine ersten Eindrücke bei Nacht ein wenig. Die geschichtsträchtige Stadt erschien mir bei Tag in einem etwas anderen Licht. Neben sehenswerter Architektur die teils noch von dem Bosnienkrieg beschädigt ist, ist das Stadtbild auch von streunenden Hunden (insgesamt soll es über 8000 in der Hauptstadt geben) und bettelnden Kindern geprägt, was mich sehr nachdenklich stimmte. Es ist eine Stadt der Kontraste. Gesellschaftliche Kontraste zwischen Arm und Reich und architektonischen Kontrasten zwischen dem osmanischen- und österreich-ungarischen geprägten Teilen der Innenstadt.

Als Abschluss unseres Trips entspannten wir nach vier anstrengenden Städtetagen bei strahlendem Sonnenschein noch zwei Tage an der kroatischen Küste und besichtigten am letzten Tag die atemberaubende Seen- und Wasserfalllandschaft im Nationalpark Plitvicer-Seen.

Wie die Überschrift schon verrät hat dieser Trip mein Auslandssemester perfekt abgerundet. Für mich persönlich waren Serbien und Bosnien-Herzegowina absolutes Neuland. Doch ich war positiv überrascht. In beiden Ländern fühlte ich mich zu jeder Zeit sicher und lernte freundliche, interessante und offene Menschen kennen. Mit Sicherheit wird man in Europa auch schönere, modernere und sauberere Städte finden. Trotzdem oder gerade deshalb war ich unterm Strich von beiden Städten mit Ihrem besonderen Charme angetan und plane nun in den Semesterferien noch weitere Länder auf dem Balkan zu bereisen!

Time to say goodbye! Morgen steht noch eine große letzte Farewell-Party auf dem Programm und dann heißt es auch für mich Abschied nehmen. Wenn’s am schönsten ist, soll man bekanntlich gehen! Ich blicke auf ein unglaublich intensives Semester zurück und bin froh, dass ich mich für Slowenien entschieden habe. Hoffentlich konnte ich Euch in meinen vergangenen Berichten Slowenien, den Balkan und das Erasmus-Leben etwas näher bringen. Darüber hinaus hoffe ich, euch etwas Lust auf ein Auslandssemester in der „kleinen großen Unbekannten“ gemacht zu haben. In zwei Wochen werde ich dann meinen letzten Tagebucheintrag veröffentlichen. Mit etwas Abstand möchte ich aus Deutschland mein Auslandssemester nochmals reflektieren und euch ein Resümee über das Leben und Studieren in Ljubljana präsentieren.

Bis dahin!

Lukas

PS: Falls ich euch mit meinen Berichten begeistern konnte und ihr euch ein Auslandssemester in Slowenien vorstellen könntet, könnt ich mich bei Fragen gerne persönlich kontaktieren. Meine Email lautet: lukas.wiemer[at]student.fhws.de


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