Internationale Studentin und internationaler Student im Studiengang Robotik

Portugal-Universidade do Porto, Portugal

Regentage

30.11.2022 | Portugal-Universidade do Porto

Als ich im September in Porto angekommen bin, lag der Sommer noch in der Luft. Leute lagen am Strand, haben sich gesonnt, waren baden und jeden Abend hat man sich zum Sonnenuntergang angucken verabredet. Mitte Oktober gab es dann den kompletten Wetterumschwung: Zwischen all den Dauerregentagen ist der Sonnentag die Ausnahme geworden und wird dementsprechend gebührend zelebriert. Aber ich sollte vielleicht zunächst erklären, dass Porto-Regen nicht gleich unserem gewohnten Würzburg-Regen ist. Was sie hier Regen nennen wäre in Deutschland schon beinahe ein Starkregenereignis. Anfänglich war ich naiv und dachte, mit Regenjacke und Schirm wäre ich gut gegen „die paar Tropfen“ gewappnet. Doch zwei Minuten aus dem Haus wurde ich eines Besseren belehrt, war komplett durchnässt und hatte Dank dem immer präsenten Küstenwind nun einen kaputten Regenschirm. Inzwischen habe ich in jeder Tasche ein extra Paar trockene Socken, da die Schuhe den Wassermassen auf der Straße meist nur wenige Minuten Stand halten oder noch vom vorherigen Tag nass sind.

Doch wer jetzt denkt, wenn man zuhause bleibt, sei man sicher, liegt ebenfalls falsch. Denn die überwiegend unsanierten Altbauten in der Innenstadt halten dem Regen auf Dauer auch nicht Stand. Bei meinem Mitbewohner stand letzte Woche das gesamte Zimmer unter Wasser, da (wie wir erst sehr spät feststellten) eine Plastikflasche die Regenrinne blockiert hat. In unsere Küche tropft es an besonders schlimmen Tagen auch. Mein tschechischer Unifreund beklagt sich, dass durch die hohe Luftfeuchtigkeit seine Wäsche nicht mehr trocknet und er nun die Wahl zwischen nassen Klamotten und Stinken hat. Und so geht es weiter und jeder hat seine eigene kleine „Regengeschichte“. Dazu kommt, dass es ohne die intensive Sonnenwärme auch sehr schnell kalt im Haus wird, da hier auch die meisten Häuser keine Heizung haben. Will man nicht frieren muss man sich sehr sehr dick anziehen, den ganzen Tag mit Wärmflasche im Bett liegen bleiben oder ins Café gehen (auch eine gute Anlaufstelle, wenn man konstantes Internet will, aber das ist eine andere Geschichte). Generell merkt man, dass die Leute mehr zuhause bleiben. Zu jeder Tageszeit herrscht jetzt Trubel in unserer Küche, wenn fünf Menschen gleichzeitig kochen, zwei essen, einer abspült und im Hintergrund „Umbrella“ läuft, was sowas wie unsere WG-Hymne an  diesen Regentagen geworden ist. Da ich an der Ostsee aufgewachsen bin, bin ich gegen den Regen immerhin etwas besser vorbereitet als meine MitbewohnerInnen.  Mein tunesischer Mitbewohner ist nur zwei Regentage im Jahr gewohnt, die Süditaliener immerhin zwei Wochen. Aber obwohl sich alle viel über das Wetter beklagen, bleibt die Laune meistens gut und ausgelassen.

Hin und wieder muss man aber natürlich doch mal raus, zum Lebensmitteleinkauf oder um in die Uni zu gehen. Dorthin brauche ich zu Fuß 30 Minuten und Dank der nicht ganz optimalen Lage der Architekturfakultät ist Laufen auch immer die bessere Wahl, als drei unterschiedliche Busse zu nehmen, die mutmaßlich auch noch alle zu spät kommen. Bei einem kleinen Regenereignis letzte Woche wollte ich dann allerdings doch auf halber Strecke den Bus nehmen, auf den ich dann 50 Minuten gewartet habe, bis ich dann wieder klitschnass und frustriert nach Hause gegangen bin. Am nächsten Tag haben alle meine Projektpartner beschlossen, dass es bei dem Regen ein Unding ist, zur Uni zu gelangen und wir lieber von zuhause arbeiten sollten. Auch meine spanische Mitbewohnerin berichtet, dass sie an extremen Regentagen von ihrem Praktikum freigestellt wird. Das Problem ist, dass die Straßen hier auch bei normalem Wetter schon vom Verkehr überlastet sind. Aber wenn es dann regnet, sind nochmal mehr Autos auf den Straßen unterwegs und die Busse kommen auch nicht mehr durch, wodurch es zu enormen Verspätungen kommt.

Wie sich die scharfsinnigen LeserInnen nun denken können, ist es in dieser Zeit leider nicht wirklich möglich Ausflüge zu unternehmen. Letzte Woche war ein Bekannter aus Würzburg auf Reisen in Portugal und hat mich gefragt, was man bei dem Regen in Porto und Umgebung unternehmen könne. Die Frage konnte ich ihm nach längerem Überlegen auch nicht beantworten, weil mein Insider-Tipp „Sonnenuntergang-Angucken“ definitiv raus fällt. Und auch um in Touristenattraktion wie zum Beispiel die Livrarella Lello rein zu kommen, muss man erstmal 20 Minuten im Unwetter anstehen. Und davor muss man natürlich erstmal den Mut haben, das Haus zu verlassen…Umso größer ist aber die Freude, wenn dann mal die Sonne heraus kommt. Jeder ist automatisch gut gelaunt und jeder zweite Satz der fällt ist „hach wie schön es in der Sonne ist“ (in diversen Sprachen übersetzt versteht sich). Und auch die Leute auf der Straße scheinen alle ein Lächeln im Gesicht zu haben. Selbst zu dieser Jahreszeit hat die Sonne hier noch eine enorme Kraft und kann einen richtig schön durchwärmen und kurz vergessen lassen, dass der Winter noch lang und kalt wird. Sie darf sich bitte wieder etwas öfter blicken lassen. 


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