Alte Mainbrücke in Würzburg

Portugal-Universidade do Porto, Portugal

Blogeintrag 3: Anleitung zum Leute kennenlernen

04.11.2022 | Portugal-Universidade do Porto

Nachdem ich mir über Jahre des Studierens meine Freundschaften in Würzburg aufgebaut habe, war das Auslandsemester ein ziemlich großer Schritt aus meiner sozialen Komfortzone. In einer fremden Umgebung auf sich allein gestellt sein und nicht mal Landessprache zu sprechen, kann ziemlich beängstigend sein und die Angst, sozial zu vereinsamen, war anfangs nicht gering. Ich wurde aber sehr positiv überrascht, wie leicht man im Erasmus neue Leute kennenlernt.

Bereits mit der Ankunft in meiner 12er-WG hat sich meine anfängliche Sorge in Rauch aufgelöst, denn die internationale Truppe ist äußerst kontaktfreudig und unternehmungslustig. Wir leben in einem Reihenhaus nahe dem Stadtzentrum und teilen uns ein Wohnzimmer, einen kleinen Garten und die Küche. Insbesondere in der Küche geht es abends oft wild zu, wenn mindestens fünf Leute gleichzeitig umeinander herum tänzeln und versuchen, ihr Essen zuzubereiten. Es ist alles etwas chaotisch, aber die liebenswerten Menschen und spannende Gespräche lassen einen schnell darüber hinweg sehen. Interessanterweise ähneln sich die Essensweisen über alle Internationalitäten hinweg. Beinah täglich steht bei allen Pasta auf dem Speiseplan, nur die Saucen variieren von Ketchup (darf man aber nur machen, wenn die Italiener nicht hingucken), Pesto und Parmesan zu selbstkreierten Saucen. Da es in Italien und Spanien üblich ist, auch während des Studiums noch zuhause zu wohnen, müssen einige meiner MitbewohnerInnen hier zum ersten mal auf den eigenen Beinen stehen und sich selbst versorgen. Da wird jeder kleine Kocherfolg gefeiert und die Experimentierfreude wächst allmählich. Durch meine Mitbewohner aus Kolumbien und Tunesien wird mir außerdem erstmals richtig bewusst, was für ein Privileg es ist, Europäerin zu sein und über die Landesgrenzen hinweg unkompliziert reisen und arbeiten zu können.

Eine weitere Möglichkeit neue Kontakte zu knüpfen ist natürlich die Uni. Sei es in Einführungsveranstaltungen für die Neulinge an der Fakultät oder wenn man die gleichen Leute in mehr als einer Vorlesung sieht. Das Eis ist schnell gebrochen, wenn die Erasmus-Leute alle unter der Sprachbarriere und der portugiesischen Bürokratie im International Office leiden oder man die PortugiesInnen um Hilfe beim Übersetzen bittet. Obwohl diese die Sprache verstehen, ist ihnen allerdings auch nicht immer klar, worum es in der Vorlesung geht...Nach dem Unterricht gibt es in der Cafeteria “Super Bock“ zu kaufen, sodass man sich in ungezwungenem Rahmen über das Studium und das Leben austauschen kann. Nicht nur die Lebensweisen sondern auch die Studieninhalte sind von Land zu Land sehr unterschiedlich. Die FinnInnen lernen Architektur eher technisch fokussiert, zeichnen vom ersten Semester an direkt am Computer und mussten noch nie im Leben ein Modell bauen. In Portugal wird hingegen viel wert auf das künstlerisch Schaffende gelegt und beim Anblick der aufwändigen Modelle, bin ich sehr froh, dass ich hier keinen Gebäudeentwurf gewählt habe. Stattdessen mache ich einen städtebaulichen Entwurf in einer Gruppe mit einem Portugiesen, einer Portugiesin und einem Brasilianer, wodurch ich nochmal unterschiedliche Arbeitsweisen und Entwurfsansätze kennenlernen kann. Alle paar Wochen gibt es an der Fakultät Grill- und Musikveranstaltungen, die die Beziehungen nochmals (unterstützt von dem allgegenwärtigen “Super Bock“) stärken.

Außerhalb der Uni kann man über Veranstaltungen vom European Student Network oder ähnlichen Vereinigungen Leute aus aller Welt kennenlernen. Diese organisieren Events von Pub Crawling bis hin zu Trips nach Marokko und ziehen stets zahlreiche Internationals an. In meinen ersten Wochen in Porto habe ich so die unterschiedlichsten Leute bei einem Beachsport-Nachmittag in Matosinhos oder einem Picknick im Parque da Cidade kennengelernt. Jetzt wo das Wetter kühler wird, verlagern sich die Veranstaltungen zunehmend in den Innenraum in Form von Filmabenden oder Paintball spielen. Bei den vielfältigen Angeboten ist für jeden etwas dabei und die Schwierigkeit liegt nicht darin dort neue Leute kennenzulernen, sondern die frischen Kontakte zu erhalten und zu pflegen. Glücklicherweise trifft man die Hälfte der Leute immer wieder in der Bar Adega oder auf dem nächsten Erasmus-Event.

Zusätzlich zum analogen Treffen gibt es heutzutage außerdem zahlreiche Möglichkeiten, sich virtuell zu connecten. Für scheinbar jedes Interesse gibt es hier WhatsApp- oder Facebook-Gruppen, wo sich Leute für gemeinsame Barabende oder Trips verabreden, nach Wohnungen suchen oder sich über ihre Lieblingsmusik austauschen. Ich hatte das Glück, über eine dieser Gruppen Magda kennenzulernen, die aus Polen kommt, aber durch Austauschprogramme versucht, so lang wie möglich nicht wieder zurück nach Krakau zu müssen. Durch ein Auslandssemester in Australien und mehrere einwöchige Erasmus Programme hat sie viel zu erzählen, kann Dialekte aus der ganzen Welt imitieren und ist fantastisch im Ausflüge planen. Praktischerweise wohnt sie außerdem mit einem Portugiesen zusammen, der ein Auto besitzt. Dieser hat nicht nur viele lokale Geschichten auf Lager, sondern zeigt uns in Roadtrips Orte, die mit dem öffentlichen Nahverkehr unerreichbar wären. Aber von diesen berichte ich ein andermal. 


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