Reisende Studentin am Flughafen

Université Sorbonne Paris Nord, Frankreich

Blogeintrag 1 - Mutig sein!

Paris, 18. Januar 2022

Habe ich an alles gedacht? Personalausweis? Busfahrticket? Zahnbürste? Sicher habe ich irgendwas vergessen! Diese Gedanken gehen mir durch den Kopf als ich nachts, um 1:23 Uhr bei 0°C am Busbahnhof stehe und darauf warte in den Bus zu steigen, der mich in ein anderes Land, in ein neues Leben bringt. Als der Bus einfährt geht plötzlich alles ganz schnell: Gepäck einladen, Covid-Pass und Fahrkarte vorzeigen, einsteigen und los geht die Fahrt.

Es ist schon verrückt, wie ich an einem Ort ein- und einem komplett anderen Ort aussteigen werde. Einer Stadt, die ich bisher nur aus Erzählungen kannte. „Stadt der Liebe.“ sagen sie, „Es wird so teuer!“, „Pass auf, dass dir in der Metro nichts geklaut wird!“, „So schöne Gebäude.“, „Du musst unbedingt in den Jardin des tuleries!“ „Und ganz viel heiße Schokolade trinken“. Falls es bis jetzt noch nicht klar wurde: Ja, für mich geht es nach Paris. Vor einem Jahr habe ich mich dazu entschlossen, mich für ein Erasmus Semester zu bewerben, da ich in den internationalen Austausch gehen und einen neuen Blickwinkel auf die Soziale Arbeit bekommen möchte. Ich wählte dafür die Université Sorbonne Paris Nord, eine renommierte Uni in Paris, an der unter Anderem Soziale Arbeit, beziehungsweise „Carrières Sociales“ gelehrt wird. Ich bin gespannt darauf, welchen Eindruck ich mir von der Stadt, den Menschen und der Universität machen werde. Werden sich meine Erwartungen erfüllen? Oder erlebe ich die Stadt doch ganz anders als sie mir beschrieben wurde? Auf welche Menschen werde ich treffen? Wie wird es sein, auf Französisch zu studieren? All diese Fragen gehen mir durch den Kopf, als gegen 9:00 Uhr die Sonne den Himmel rosarot färbt und wir die Landesgrenze überqueren.

Um kurz nach 13:00 Uhr fährt der Bus im Busbahnhof Paris-Bercy-Seine ein. In meinem Bauch spüre ich ein aufgeregtes Kribbeln. Schon bald würde ich durch mir unbekannte Straßen laufen, neue Gerüche einatmen, Menschen in einer mir noch eher fremden Sprache sprechen hören, die Geräusche wären neu. Doch all diese Eindrücke werden zu meiner neuen Normalität. Mit meinem Backpack auf dem Rücken und einem kleinen Rucksack als Handgepäck mache ich mich also auf in ein neues Abenteuer.

Ich trete aus dem Bahnhofsgebäude und werde von strahlendem Sonnenschein und jeder Menge Eindrücke begrüßt: auf der Bank links neben mir zwei Männer die rauchen, eine Frau telefoniert hinter mir, ein Ehepaar läuft mit drei Koffern hinter sich herziehend hektisch auf den Eingang zu, ein Hund pisst an das Geländer der vor mir liegenden Sportanlage, auf der etwa 20 Menschen Liegestütz, Sit-Ups und andere Sportübungen machen, rechts ein Fußgängerschild und dahinter die zwei Jungs, die mit mir in Frankfurt eingestiegen sind. Sie schienen sich wohl auch erstmal orientieren zu müssen. Orientierung. Das ist gerade wichtig. Ich setze mich erstmal in den angrenzenden Park auf eine Bank, um die Eindrücke auf mich wirken zu lassen. Erster Step geschafft: Ich bin aus dem Gebäude gegangen und habe einen Ort gefunden, der für mich in diesem Moment Sicherheit und Orientierung ausstrahlt.

„Es werden so viele Herausforderungen auf dich zukommen Lea“, denke ich mir und beiße in das Sauerteigbrot, welches vermutlich das letzte für die nächsten Monate sein wird. Nächster Step: Metrofahren. Ich hatte so einige Schauergeschichten gehört und muss sagen, dass ich wirklich Respekt davor habe. In diesem Moment erinnere ich mich wieder an mein Motto für die kommenden Monate: Mutig sein.

Ich möchte mutig sein, neues auszuprobieren, auf Menschen zuzugehen die ich nicht kenne. Ich möchte mutig sein, eine neue Sprache zu lernen. Mutig sein ein Zimmer zu finden. Mutig sein, jetzt in diese Metro zu steigen.

Um mutig zu sein, muss man nicht unbedingt Bungee Springen oder nachts durch den Wald laufen. Mutig sein fängt meiner Meinung nach genau da an, wo man sich aus der eigenen Komfortzone begibt. Und genau das ist der Moment, an dem man anfängt, über sich hinauszuwachsen.

Mutig sein. Ich bin gespannt, welche Situationen Mut erfordern werden, wie ich mit ihnen umgehe und an ihnen wachse. Ich nehme mir aber fest vor, den Mut immer in der Hosentasche dabei zu haben und ihn in den richtigen Momenten auszupacken. Dort drüben sehe ich das Schild der Metrostation. Na dann fang ich mal an:

Mutig sein.


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